Das Prostatakarzinom

Wie entsteht das Prostatakarzinom?

Wie Krebs wirklich entsteht, ist weder bei Prostatakrebs noch bei anderen Arten von Krebs abschließend geklärt. Die Wissenschaft hat lediglich verschiedene Risikofaktoren gefunden. Das heißt, dass bei Patienten, die an Prostatakrebs erkrankt sind, diese Faktoren überdurchschnittlich häufig gefunden wurden. Im Umkehrschluss heißt dies aber nicht, dass jeder Mann der diese Risikofaktoren hat, auch zwingend an Prostatakrebs erkrankt.


Die häufigsten Risikofaktoren sind:

  • Alter (je älter, desto höher das Risiko)
  • familiäre Belastung (sind der Vater oder Großvater erkrankt, ist das Risiko erhöht)
  • Einzelne Gene könnten für die Entstehung mitverantwortlich sein
  • Eine fleisch- und wursthaltige Ernährung scheint das Risiko zu erhöhen
  • Entzündliche Prozesse (vor allem chronische) scheinen die Entstehung zu begünstigen

Eine Ernährung mit großem Anteil an Obst und Gemüse scheint das Risiko zu senken. Diese Lebensmittel sorgen dafür, dass der pH-Wert im Urin steigt, und kleinere Kristalle vielleicht wieder aufgelöst werden können. Vor allem aber, dass keine neuen entstehen. Wenn von diesen Lebensmitteln nur sehr wenige gegessen werden, dann bleibt der Urin sauer und der Vergrößerung der Prostata wird der Weg geebnet. Aktuelle Arbeiten zeigen, dass diese Faktoren die Entstehung von Prostatakarzinomen begünstigen.

Die Rolle des männlichen Hormons ist nach wie vor umstritten und nicht abschließend geklärt. Häufiger Sex scheint das Risiko jedoch zu senken. Will man diesen Faktor für sich nutzen, muss man kontinuierlich bei der Stange bleiben. Die Autoren berichten, dass 21 Samenergüße pro Monat notwendig sind, um das Risiko an einem Prostatakarzinom zu erkranken zu senken.

Wie bereits erwähnt: Keiner dieser Faktoren verursacht immer ein Karzinom. Nur weil Ihr Vater erkrankt ist, heißt das nicht, dass Sie auch erkranken. Und nur weil mehrmals die Woche Sülze und Schweinebraten Ihren Teller zieren, heißt das nicht, dass Sie zwingend erkranken. Und nur weil Sie sich streng vegan ernähren, heißt es wiederum auch nicht, dass sie zwingend gesund bleiben. Das Risiko zu erkranken, scheint jedoch geringer.

Diagnostik des Prostatakarzinoms

Das Prostatakarzinom

Häufig wird der Verdacht auf ein Prostatakarzinom anhand eines erhöhten PSA-Wertes gestellt. Da der PSA-Wert, wie bereits beschrieben, auch durch ein Karzinom bedingt sein kann, ist es nur logisch, dass diese Möglichkeit nicht außer Acht gelassen werden darf. Aus diesem Grund beinhaltet die Leitlinie zum Prostatakarzinom die Aufforderung, einem erhöhten PSA eine Biopsie, also eine Entnahme von Gewebe, folgen zu lassen. Das empfohlene Vorgehen ist hier die ultraschallgesteuerte, transrektale Biopsie. Das heißt, dass mit der Biopsieaparatur durch den Darm und die Darmwand hindurch nach vorne in die Prostata „geschossen“ wird. Dies soll mindestens 12x geschehen, in allen Bereichen der Prostata. So weit, so gut.

Wir stellen uns vor, eine Frau hätte einen Blutwert, welcher auf Brustkrebs hindeuten würde. Dieser Wert kann aber auch noch durch andere Faktoren erhöht sein, beweist also das Mammakarzinom in keinem Fall. Diese Frau geht zur weiteren Abklärung zum Arzt. Der Arzt bestätigt die Notwendigkeit der Biopsie, holt das Biopsiegerät aus dem Schrank und fängt an zu arbeiten. Aus Versehen fällt das Gerät zu Boden und ist verunreinigt. Macht nichts, er arbeitet weiter, durchlöchert in aller Ruhe und ohne Ziel die Brust auf jeder Seite mindestens 6-mal. Auf den Hinweis, dass das Gerät nicht mehr steril sei und jetzt die ganzen Keime in beiden Brüsten verteilt würden, antwortet der Arzt: „Macht nix, Sie bekommen ja eh ein Antibiotikum.“ Daraufhin geschieht die Biopsie randomisiert, also ohne Ziel. Breit gefächert, um die Möglichkeit zu erhöhen, das vielleicht vorhandene Mammakarzinom zu treffen. Die Frau bekommt ihr Antibiotikum, dass es aufgrund der unsterilen Arbeitsweise zu keiner größeren Infektion kommt und verlässt gut gelaunt die Praxis.

Ein solches oder ähnliches Vorgehen wäre in der Gynäkologie undenkbar und in allen anderen Bereichen der Medizin ebenfalls. Nur bei der Prostata ist es das leitliniengerechte Vorgehen. Man könnte auch bei der Prostata nach dem Verdacht auf das Prostatakarzinom (aufgrund des PSA-Wertes) ein MRT machen. Dann würde man erkennen, ob der erhöhte PSA möglicherweise aufgrund einer Prostatitis oder einer BPH erhöht ist. Wenn dies nicht der Fall ist, würde man das Karzinom, auch wenn es nur wenige Millimeter groß ist, erkennen. Dann ist das Ziel definiert, und man könnte gezielt die Biopsie machen. Man bräuchte nicht 12-mal zu schießen. Es gäbe auch einen sterilen Weg, der nicht durch den Stuhl im Darm und dann durch die Darmwand hindurch in die Prostata geht. Damit würden die Keime aus dem Darm erst gar nicht in der Prostata verteilt. Das Verschreiben eines Antibiotikums ist nur folgerichtig, es stellt sich nur die Frage, warum geht man nicht auf sterilem Wege über den Damm (der Bereich zwischen Hodensack und Enddarmaussgang) in die Prostata und „schießt“ 2-mal, vielleicht sicherheitshalber drei-mal auf den aus dem MRT bekannten Herd. Dann wäre die Diagnose „Prostatakarzinom“ auch gesichert. Man hätte alle Informationen, um eine vernünftige Therapie einleiten zu können. Auf diesem Wege würden auch alle anderen Ursachen für einen erhöhten PSA vor der Biopsie erkannt und könnten ohne invasiven Eingriff therapiert werden. Mittlerweile ist auch wissenschaftlich gezeigt, dass eine MRT vor der Biopsie bei 27 % der Patienten eine Biopsie überflüssig machen würde (Quelle). Vor allem deswegen, weil Diagnosen wie z.B. die Entzündung der Prostata keine Biopsie erfordern.

Zusammenfassung:

Wenn aufgrund des PSA-Wertes der Verdacht auf ein Prostatakarzinom besteht, dann lassen Sie abklären, was der Grund für diese PSA-Erhöhung ist. Aber mittels MRT der Prostata, und nicht mittels Blindbiopsie durch den Darm. Es gibt auch andere Ursachen, die den PSA erhöhen und im MRT sicher diagnostiziert werden kann, dann ist keine Biopsie notwendig.


Wie häufig ist das Prostatakarzinom?

Um zu beantworten ob, etwas häufig oder selten ist, muss man die Zahlen in einen Kontext setzen.

Die Wahrscheinlichkeit, an einem Prostatakarzinom zu erkranken, ist stark vom Alter abhängig. In jungen Jahren ist es unwahrscheinlich an Prostatakrebs zu erkranken mit 65 jedoch schon deutlich häufiger.

Das Risiko sein ganzes Leben lang an einem Prostatakrebs zu erkranken, beträgt knapp 12%, es trifft also einen Mann von acht. Unter allen neu diagnostizierten bösartigen Neubildungen liegt das Prostatakarzinom mit 20% an der Spitze. Insgesamt wurden laut krebsdaten.de im Jahr 2017 62.230 Neudiagnosen Prostatakrebs gestellt und das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 71 Jahren. Vergleicht man diese Zahlen mit der am häufigsten diagnostizierten bösartigen Neubildung bei Frauen, dem Mammakarzinom, ist die Zahl der jährlichen Neudiagnose in Deutschland mit 67.297 höher. Das mittlere Erkrankungsalter liegt mit 64 Jahren jedoch deutlich niedriger. Im Jahr 2017 sind 18.396 Frauen am Mammakarzinom gestorben und 14.318 Männer am Prostatakarzinom.


Welche Stadien gibt es?

Klassifikation des Prostatakarzinoms

Warum gibt es überhaupt eine Stadieneinteilung? Die Stadien oder auch das Staging ist wichtig. Nur wenn dieser Punkt abgeschlossen ist weiß man, an welchem Punkt man steht. Die beiden Extreme sind, dass es sich um einen Tumor handelt, der klein ist, der auf die Prostata beschränkt ist und der mit einem niedrigen Gleason Score aufwartet. Das andere Extrem ist ein kapselüberschreitender Tumor, der möglicherweise in die Blase oder den Darm eingewachsen ist und bereits an vielen Stellen Metastasen gebildet hat. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil davon die Empfehlung zu einer Therapie abhängt.
Es ist offensichtlich, dass ein kleiner auf die Prostata begrenzter und nicht metastasierter Tumor anders therapiert werden kann, als ein spätes Stadium, bei welchem Metastasen bei der Wahl der Therapie mit in Betracht gezogen werden müssen.

TNM Klassifikation:

Das Prostatakarzinom wird unter anderem nach der TNM Klassifikation wie folgt eingeteilt:

Das T bezieht sich auf den Tumor selbst:

T1 klinisch unauffälliger Tumor
T1a zufällig entdeckter Tumor (z.B. im Rahmen einer TURP) < 5% des Gewebes
T1b zufällig entdeckter Tumor (z.B. im Rahmen einer TURP) > 5% des Gewebes
T1c Mittels Nadelbiopsie entdeckter Tumor (z.B. aufgrund eines erhöhten PSAs)

T2 tastbarer Tumor, auf die Prostata beschränkt
T2a maximal 50% des Prostatalappens
T2b mehr als 50% eines Prostatalappens
T2c beide Prostatalappen sind betroffen

T3 Ausdehnung des Tumors über die Kapsel hinaus
T3a Tumorausbreitung über die Kapsel hinaus, Samenblasen frei
T3b Tumorausbreitung über die Kapsel hinaus, Samenblasen infiltriert

T4 Tumor wächst in die Blase, den Darm oder andere Strukturen außer der Samenblasen ein

Das N bezieht sich auf regionale Lymphknotenmetastasen:

N0 keine regionalen Lymphknotenmetastasen
N1 regionale Lymphknotenmetastasen vorhanden

Einteilung nach dem Gleason-Score:

Histologisches Bild eines Prostatakarzinoms Gleason 4.

Der Gleason-Score besteht aus zwei Zahlen, welche der Pathologe anhand des vorliegenden Gewebes feststellen kann. Am einfachsten lässt sich der Gleason-Score anhand eines Beispiels aus dem Alltag erklären. Stellen Sie sich vor, Sie haben fünf Kinder. Die ersten beiden Kinder sind sehr gut organisiert und die Kinderzimmer sehen sehr aufgeräumt aus. Das dritte Kind neigt zu diskreter Ordnung, sodass nicht alle Bücher im Regal, nicht alle Socken in den Schubladen und nicht alle Spielzeuge an entsprechenden Orten verstaut sind. Das Kinderzimmer lässt sich jedoch sehr deutlich als solches erkennen. Ihr viertes Kind neigt zu mehr Kreativität und das gegenüberliegende Fenster lässt sich nicht ohne ernsthafte Verletzungen an den Fußsohlen erreichen, da Hindernisse wie Legosteine, Matchbox-Autos oder das eine oder andere Taschenmesser überwunden werden müssen. Ihr fünftes Kind neigt zum kreativen Chaos. Es bestieg bereits das Bücherregal, welches letztlich umkippte, die Socken befinden sich quer im Raum verteilt, die Teddybären sind unter dem Teppich zugedeckt und der mühevoll angebrachte Vorhang wird als Liane zweckentfremdet. Es herrscht schlicht das pure Chaos. Genauso ist es mit dem Gleason-Score. Er beschreibt den Grad der Unordnung in Prostatakarzinomzellen. Je höher der Grad der Unordnung, desto mehr Aggressivität wird diesen Zellen zugeschrieben.

Warum besteht der Gleason-Score immer aus zwei Ziffern? Die erste Ziffer beschreibt den Grad der Unordnung, welcher in den vorliegenden Präparaten am häufigsten vorkommt. Die zweite beschreibt den höchsten Grad der Unordnung, auch wenn dieser vielleicht in nur 2-3 % der untersuchten Zellen vorliegt. Mit dem zweiten Wert trägt man dem Risiko Rechnung, dass unter Umständen von diesen wenigen Zellen eine hohe Gefahr für den Patienten ausgehen kann. Wichtig ist dieser Wert für die Entscheidung der Therapie. Ein niedriger Gleason-Score (Beispielsweise 3 + 3 = 6) ist ein Faktor, welcher zu der Empfehlung eines abwartenden Verhaltens führen kann. Dafür müssen jedoch noch weitere Faktoren bestimmt werden. Bei einem hohen Gleason-Score (beispielsweise 5 + 5 = 10) ist jedoch Gefahr im Verzug, sodass hier ein abwartendes Verhalten keinesfalls angebracht ist.

Wie viele Männer sterben am Prostatakarzinom?

Setzt man die Zahl der Neuerkrankungen und der an dieser Erkrankung Gestorbenen ins Verhältnis, so ergeben sich relative 10-Jahres-Überlebensraten von 72% für das Mammakarzinom und 88% für das Prostatakarzinom. Die Wahrscheinlichkeit auch wirklich am Prostatakarzinom zu sterben wenn man daran erkrankt ist, ist als deutlich geringer als beim Mammakarzinom.

Setzt man die Sterblichkeit des Prostatakarzinoms in einen Kontext mit anderen möglicherweise Tot bringenden Erkrankungen, wird klar, dass der Prostatakrebs zwar die Zahl der Neuerkrankungen anführt, in der Liste der Todesursachen für Männer jedoch nicht an der Spitze steht. Die Liste des statistischen Bundesamtes zeigt, dass es Erkrankungen gibt, die durchaus tödlicher sind als das Prostatakarzinom.

  • 27 858 Männer starben 2019 an Lungenkrebs
  • 25 921 Männer starben 2019 am akuten Herzinfarkt
  • 22 942 Männer starben 2019 am Schlaganfall
  • 15 040 Männer starben 2019 am Prostatakarzinom

Die Wahrscheinlichkeit an Lungenkrebs oder an Herzinfarkt zu sterben ist also deutlich höher, aber ist die Wahrscheinlichkeit deswegen gering am Prostatakrebs zu sterben? Ob man das Risiko für hoch oder niedrig hält, ist letztlich relativ. Eines steht auf alle Fälle fest, am besten ist es gar nicht daran zu erkranken.

Wie gelingt die Diagnostik?

Ihr Urologe wird Ihnen vermutlich empfehlen, den hohen PSA mittels 12-facher Biopsie durch den Darm abzuklären. Wenn Sie dieser Prozedur zustimmen, stimmen Sie auch einer Verschleppung der gesamten Darmkeime in die Prostata zu und zugleich auch einer gleichmäßigen Verteilung. Sie werden auch erfahren, dass Sie im Anschluss ein Antibiotikum erhalten, um die Darmkeime in der Prostata wieder abzutöten. Das ist auch richtig, wenn man der urologischen Leitlinie folgt.

Aber ist es wirklich sinnvoll eine Prozedur zuzulassen, deren Folgen man später wieder mittels Antibiotikum beseitigen muss? Vor allem, wenn es einen sterilen Weg in die Prostata gibt, mit dem man genau das Gleiche erreicht. Jedoch ohne Keimverschleppung und ohne anschließendes Antibiotikum?

Meines Erachtens nicht!

Man kann die Prostata auch auf sterilem Weg erreichen. Über dem Damm. Der Damm ist der Bereich zwischen Hodensack und Enddarmausgang. Auch auf diesem Weg können ultraschallgesteuert kleine Stanzzylinder entnommen werden. Unter örtlicher Betäubung geschieht dies auch weitgehend schmerzfrei. Eine Kurznarkose ist hierfür nicht erforderlich.